Zur Webseite:
Texte, Gespräche, Fotos zum Projekt12 June – 19 September 2021
Gemeinschaftsarbeit von Katrin von Lehmann, Sabine Popp,
Julia Dorothea von Schottky, Nicole Schuck und Markus Schwander
Kuratorische Begleitung: Birgit Effinger
Beim Zusammenarbeiten vereinen sich unterschiedliche Erfahrungen und Fähigkeiten;
die gemeinsame Handlung schafft einen Ideenpool und potenziert Möglichkeitsräume.
Der Ausstellung geht eine intensive Verständigung über die eigenen Arbeitsformen
und den Stellenwert von Recherche, Methodik, Modellbildungen und Inspiration
voraus.
Im ersten Raum führen die Künstler*innen ihre vielfältigen Refl exionen zum
Wechselspiel zwischen Systematik und Experiment, Selbst- und Fremdbeobachtung,
Wissensaneignung und künstlerischen Formfi ndungsprozessen in einer
Gemeinschaftsarbeit zusammen. Dieses konkrete Zusammentun der Künstler*innen
dient der Erweiterung wie auch Überprüfung der eigenen künstlerischen Denk- und
Handlungsmuster. Dabei beschränkt sich die gemeinsame Auseinandersetzung
nicht nur auf eine auf den Prozess fokussierte Perspektive, sondern greift ebenso die
räumlichen Bedingungen des Ausstellungsraumes auf:
So dienten die Dimensionen der Pfeiler als räumliche Einheit, die sich hier nun
zu liegenden, stehenden oder hängenden Flächen ausfalten. Die Einbauten und
verschiebbaren Pfeiler weichen die vorhandene Architektur auf und schaffen
einen fl exiblen Rahmen, um sich nicht ausschließlich auf die Ergebnisse der
Auseinandersetzung, sondern auch auf gemeinsame Handlungen zu konzentrieren:
wahrnehmen, entdecken, erfassen, bewusst werden, herausfi nden, Klarheit
gewinnen, feststellen. Es geht auch darum, sich auf den Raum einzulassen und
gemeinsam raumbezogen und in einem begrenzten Zeitfenster zu handeln.
Die Installation von Weichfaserplatten erlaubt temporäre Notizen, manche Pfeiler sind
mit Öffnungen versehen, andere Durchgänge sind hingegen versperrt.
Eine fortwährende Konstante der Zusammenarbeit ist die Arbeit nach einem
gemeinsam festgelegten Regelwerk. Dabei greifen die ersten räumlichen Aktionen die
Spezifi ka des Ausstellungsortes auf. Die dafür verwendete frische Tonmasse stammt
aus der Ziegelei Glindow im Südwesten Berlins, in der auch die Ziegelsteine der Alten
Kaserne gebrannt wurden.
Die Künstler*innen haben in drei Aktionen nach festgelegten Regeln gezielt im
Raum geworfen, um die Sphären des Raums körperlich abzutasten und zu den
vorgenommenen Einbauten und Verschiebungen neue Akzente zu setzen. Jede
Aktion entwickelte sich aus einer Analyse der vorangegangenen, die das jeweils
neue Regelwerk bestimmte. Diesen gemeinsamen Aktionen gingen individuell
durchgeführte Tonwerfaktionen an den jeweiligen Arbeitsorten der Künstler*innen
voraus, die nun mit fünf Videoaufnahmen präsent sind. Der Rhythmus des Werfens
in den Videoschleifen verweist als Erinnerungsspur ebenso auf den Rhythmus der
gemeinsamen Aktion im Raum.
Die Einbauten in den angrenzenden Korridorräume erweitern die Haupträume.
Dort nehmen die Arbeiten und Dokumentation Bezug auf die gemeinsamen Übungen
und Experimente im Vorfeld der Ausstellung.
Während der Ausstellungslaufzeit werden sich die Künstler*innen ein weiteres Mal
zusammentun, um nach neu festgelegten Regelwerken und mit vorab bestimmten
Materialien weitere Interventionen und räumliche Veränderungen durchzuführen.
Die Künstler*innen der Ausstellung bewegen sich zwischen unterschiedlichen
Disziplinen und stehen mit Fachexpert*innen wie Biolog*innen, Physiker*innen,
Meteorolog*innen oder Wissenschaftshistoriker*innen in Austausch. Ihre
künstlerischen Untersuchungen verzweigen sich in verschiedenste Gebiete,
die wiederum auf die künstlerischen Fragestellungen und Handlungen Einfl uss
nehmen. So bezieht sich Katrin von Lehmann im Medium der Zeichnung auf
naturwissenschaftliche Methoden und festgelegte Regelwerke, um in künstlerischen
Experimentalanordnungen die Entstehung von Neuem und die unvermittelte
Abweichung vom Regelwerk zu befragen. Sabine Popp dienen Beobachtungen von
systematischen Handlungen der Algenforschung und Visionen ihrer wirtschaftlichen
Nutzung als Aufhänger, um in raum-zeitlichen Anordnungen dokumentarischer
Materialfragmente Refl exionen über weitere gesellschaftliche Zusammenhänge
in Gang zu setzen. Julia Dorothea von Schottky nimmt die Frage nach dem
Klangpotenzial der Birkenrinde wie auch ihre Recherchen zu Ahnenforschung und
akustischem Krieg zum Ausgangspunkt einer raumgreifenden Installation. Nicole
Schuck recherchiert im Austausch mit Meeresbiologen zu Ökosystemleistungen
Europäischer Austern und Hummer und befragt in ihren zeichnerischen Installationen
diese Bewertungssysteme wie auch die damit einhergehenden Veränderungen
des gesellschaftlichen Umgangs mit Natur. Markus Schwander untersucht in
Auseinandersetzung mit Geologen die Mechanismen von Bergstürzen und macht
die räumliche Bewegung von Gletscherlawinen und Steinschlägen in fotografi schen
Werkgruppen als bildnerisches Phänomen vorstellbar.